David Bowie

Low

EMI

Fesselnd ist die fast traumatische Rhythmus-Basis, die sich über viele Titel auf LOW erstreckt.

Bowies Unberechenbarkeit ist im selben Maße angestiegen wie seine technische Versiertheit. Mit LOW wirft er uns ein recht zwiespältiges Produkt zum Fraß vor. Zwiespältig nicht nur darum, weil A- und B-Seite grundverschieden sind. A-LOW setzt sich aus extravaganten Klangbildern zusammen, während B-LOW den elektronischen Trip aufgreift. Angenommen, Bowie hat LOW tatsächlich als seriöses Projekt konzipiert (obwohl mir beim Anhören der Platte immer wieder sein höhnisch-überlegenes Lächern „erschien“), stellt sich doch die Frage, warum er sich so intensiv auf zappaeske Vokalpassagen stürzt. Will er’s dem Meister zeigen oder hat er nur „nachempfunden“?

Fesselnd ist die fast traumatische Rhythmus-Basis, die sich über alle Titel von Seite eins erstreckt. Perfekt projizierte Bowie einen Disco-Funk-Titel im Miami-Sound, „Sound And Vision“. Man erinnere sich: Er hatte ja auch einmal eine „schwarze Phase“. Am Bowie-ähnlichsten fiel noch „Always Crashing In The Same Car“ aus, wenn man sich mit beschnittenen Zutaten zufriedengibt. Vokalteile sind sowieso nur als Farbtupfer integriert. Insgesamt mutet Seite eins zunächst etwas verschroben an, man kann sich aber ganz gut mit der Musik anfreunden, da Bowie geschickt immer wieder eingängige, fast simple Passagen eingebaut hat.

Ruhig, fast meditativ geht es auf Seite zwei weiter. Wie es heißt, hat sich der Berliner Neubürger Bowie als Kraftwerk-Fan Nr. eins tatsächlich von den deutschen Elektronikern zu diesem synthetischen Ausflug inspirieren lassen. Vor allen Dingen Eno, Bowies rechte Hand bei der Konzeption von LOW, kommt hier auf seine Kosten. Es gibt wohlgemerkt keine Synthesizer-Orgien, sondern manchmal fast eisige, träge Klangfiguren, zwischendurch geradezu einschläfernd. Diese Experimente sind längst nicht so raffiniert ausgefallen wie die musikalisch weitaus interessantere A-Seite, auf der Iggy Pop übrigens einmal singt. An den Sessions wirkten ferner mit: Carlos Alomar, Dennis Davis, George Murray, Roy Young und Ricky Gardener.

Den letzten Schliff bekam das Opus bei „Hansa by the wall“; zu deutsch: im Hansa-Studio „nahe der Berliner Mauer“.