Jan Delay
Hammer & Michel
Vertigo/Universal
Der Mann mit Hut wirft uns sein Rock-Hämmerchen bis knapp vor die Füße. Was da noch zu retten ist, rettet sein Witz.
Der Bass an der Kette, das Schlagzeug vom TÜV Rheinland abgenommen, alle Gitarren gerichtet und gebleacht, zu jedem Riff ein Quellenhinweis, nicht, dass noch Beschwerden kommen wie: „Der Entertainment-Doktor hat bei seinem jüngsten Titel geschummelt!“ Aber da Delay sein Prahlhans-Grundstudium an der Rap-Schule absolviert hat, darf er natürlich trotzdem behaupten, dass seine vierte Soloplatte eine echte Rockplatte ist. Wer´s glaubt, wird in diesem Leben wohl aber nicht mal mehr ein Selig-Fan.
Nein, es ist nicht automatisch Rock, nur weil man den „Rock“-Knopf gedrückt hält bei seiner Unterhaltungsmaschine gewordenen Hauskapelle, es iTunes so labelt und vielleicht auch dein Musiklehrer, wenn du ihn danach fragst (vielleicht erzählt er dir aber auch was über Jimi Hendrix). Es ist ja auch nicht Pizza, nur weil es dir der Lieferdienst bis an die Tür trägt. Jan Delay hat nun allerdings schon im Vorfeld von HAMMER & MICHEL dermaßen viel Haue und Häme von Rockbeauftragten-Seite bezogen – weil sich „Wacken“ aber auch dermaßen an das liebste Schmuddelkind der Event-geilen Nation rangeschmissen hat –, dass es sich lohnt, auch mal über die entsprechenden Vorbehalte hinaus einen Blick auf diese Platte zu werfen.
Dabei fällt auf: Obwohl HAMMER & MICHEL sich hier ein bisschen an AC/DC ran wanzt, dort an Rage Against The Machine und ansonsten vor allem weitgehend auf dem Deutschrock-Level eines leidlich modernisierten Udo Lindenberg stehen bleibt, entfernt sich das Album eigentlich gar nicht so weit weg von dem, womit sich Delay und seine Band Disco No. 1 so über die Jahre warmgelaufen haben. HAMMER & MICHEL ist eine versierte, geschmierte, grundgroovige Alleskönner-Platte, die aber von vorn bis hinten derart optional und bekenntnisfrei bleibt, dass Delay sie noch so charmant und witzig betexten könnte: Sie wäre nicht zu retten.
Es ist ja tatsächlich witzig, wenn sich der ellenlange Opener „Liebe“ an einem Progrock-Pausenspiel verhebt und der Chor dazu plötzlich „Hippie-Scheiße“ trällert oder nach der plumpen Ernährungslehrstunde „Dicke Kinder“ noch ein albern eiernder Vocoder-Onkel nachlegt: „Und dass gutes Essen teuer ist, das ist eine Lüge – für jede Tüte Chips kriegst du zwei Kilo Gemüse!“ Und wirklich charmant ist es, sich für Gefühlskälte ein Wortspiel wie „Hertz 4“ einfallen zu lassen. Wie auch die ganze dralle Schunkel-Hymne „St. Pauli“ in ihrem Inneren sehr charmant, mehr noch: wunderbar warm und zärtlich ist. Aber wie gesagt: hilft leider alles nichts.