Der Angriff der Gegenwart: Messer unterziehen die alte Tante Indie-Pop auf ihrem zweiten Album einem dringend benötigten Update.

Tobias Levin ist als Produzent Spezialist darin, Räume auszumessen und anschließend so einzurichten, dass alles an seinem Platz, aber gleichzeitig genug Platz für alles ist. Er lässt in seinen Produktionen Freiflächen, und das tut der Musik der Münsteraner Gruppe Messer sehr gut. In erster Linie, weil alles etwas geordneter, ein Stück strukturierter wirkt als auf dem 2012 erschienenen IM SCHWINDEL. Aus diesem Grund gewinnen nicht nur die Laut-Leise-Dynamiken, sondern werden auch plötzlich Wesenszüge der Band ganz klar erkennbar, die man bisher nur mit etwas Mühe wahrnehmen konnte. Etwa die Neigung zum großen Refrain, was am besten im vorab ausgekoppelten „Im Neonlicht“ deutlich wird. Aber auch die Fähigkeit, Pop so zu inszenieren, dass man die Referenzen erahnen kann – der Rezensent musste beim Hören dieser Platte an The House Of Love, frühe Veröffentlichungen auf dem Hamburger L’Age-D’o r-Label und Slint denken –, sie aber eben so vage bleiben, dass die Klang­sprache letztendlich doch eine angenehm eigene ist. Sie korrespondiert gut mit dem, was Hendrik Otremba macht: Der Sänger der Band arbeitet oft repetitiv, pendelt zwischen Gesang und Singsang und ist immer dann am stärksten, wenn er seine stets verwundert wirkenden Chiffren so setzt, dass man sie nicht verstehen, aber zumindest nachvollziehen kann. Zu nennen ist etwa „ Tiefenrausch“, wo eine eher unangenehme Traumsequenz nach ein, zwei Minuten noch einmal von der Musik nacherzählt wird, oder das abschließende „Süßer Tee“. Sechseinhalb Minuten unruhig flackernder Post-irgendwas-Lärm mit viel Effekt, ein bisschen Klirren, dazu Worte, die bei näherem Kontakt an einem kleben bleiben wie altes Koniferenharz. Eigenartig berührende Musik.


Messer – Neonlicht

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