Das Trio aus London und sein minimalistischer Indie-Pop mit den elektronischen Texturen wirken noch zerbrechlicher als auf dem Debütalbum

Es ist das am sehnsüchtigsten erwartete Album des Jahres. Egal, was vorher gekommen ist, egal, was in den verbleibenden knapp vier Monaten noch so kommen sollte. Coexist, das zweite Album des Londoner Trios The xx. Das Debüt The xx von 2009 war ein Meilenstein, weil es Indie, wie es der gemeine Hörer kannte, unter die Erde gebracht hat, weil es den Gedanken der Ereignislosigkeit, der in diversen Unterspiel­arten der elektronischen Musik schon längere Zeit gedacht wurde, in die Gehirne Gitarren-verliebter Indie-Kids gepflanzt hatte. Erstaunlich dabei ist, dass das Epigonentum auf Indie-Seite nach drei Jahren immer noch überschaubar bleibt.Fast keine Band will wie The xx klingen. Wenn es in dem Pop-Minimalismus der drei Londoner zwischen all dem Hall und der Ambience überhaupt Gitarren gab, dann nicht im üblichen muskelbepackten Habitus, sondern als ultra-reduzierter Twang, der entfernt an Chris Isaak und David Lynch denken ließ. Jamie xx wurde in der Folge zu einem aus dem Bandkontext herausgelösten Produzenten (Drake, Rihanna) und Remixer (Radiohead, Gil Scott-Heron, Adele, Florence & The Machine), seine Solosingle „Far Nearer / Beat For“ wies Ähnlichkeiten zur britischen Basskultur auf. Und so äußerte Jamie xx schon Monate vor Veröffentlichung von Coexist, dass „Clubmusik definitiv einen Einfluss auf unser nächstes Album gehabt hat“. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist bei beiläufigem Hören aber genauso wenig zu erkennen, wie das Phänomen The xx nach oberflächlicher Auseinandersetzung zu begreifen ist.

Die Kompositionen auf Coexist wirken noch eine Spur zerbrechlicher als die des Debütalbums, es bleiben skelettierte Songs, perfekte Skizzen, die eine Ausarbeitung gar nicht nötig haben. An manchen Stellen des Albums wird die Verwurzelung des Trios im R’n’B einen Hauch offensichtlicher – auf dem Debüt war der R’n’B eher eine Ahnung, ein Geheimcode. Man muss sich nur den Gesang von Romy Madley Croft in „Angels“ anhören. Die Backings sind elektronischer, mit noch weniger Gitarren. Ab und zu knackt ein verlorener Beat, dann wummert ein solitärer Subbass. In „Swept Away“ wird am deutlichsten, was Jamie xx mit seinem vorauseilenden Statement gemeint hat. Hier konkurriert ein straighter House-Beat mit dem xx-Gitarrentwang.

Irgendwann im Vorfeld der Veröffentlichung hat Romy Madley Croft ihre Hoffnung geäußert, die Hörer sollen bitte nicht erwarten, „dass wir das erste Album noch mal machen. Das gibt es schließlich schon.“ Coexist ist nicht The xx Part 2, aber es ist auch nicht weit davon entfernt. Die Unterschiede liegen in klitzekleinen Details, was natürlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass der stilistische Variationsspielraum bei einer Band wie The xx nicht allzu groß ausfällt.

Key Tracks: „Angels“, „Chained“, „Swept Away“