Gossip
A Joyful Noise
Columbia/Sony Music VÖ: 25.5.
Wurzeln adé: Der neue Sound von Beth Dittos Band ist hochpolierter Dance Pop.
Ein Jahr lang, so geht die Legende, die Beth Ditto nun verbreiten lässt, habe sie sich ausschließlich in das Œuvre von ABBA vertieft. Die Folgen, suggeriert diese geschickt gestreute Information, seien nun zu hören auf A Joyful Noise, dem fünften Album ihrer Band Gossip. Aber: Sind sie das auch? Die Antwort ist ein klares: Jein. Denn der Rhythmus von „Move In The Right Direction“ und die im Hintergrund herumturnenden Sample-Streicher könnten tatsächlich von den allseits beliebten schwedischen Pop-Großmeistern stammen. Aber seien wir ehrlich: So schön die Geschichte auch wäre, weil sie eine Parallele zu „Muriels Hochzeit“ , dem Kino-Hit von 1994, herstellt, in dem eine etwas übergewichtige Protagonistin ihr Leben mit Hilfe von ABBA-Hits meistert. Wesentlich markanter ist auf A Joyful Noise doch der Einfluss von Produzent Brian Higgins, der vor allem durch seine Arbeit für Pop-Acts wie Girls Aloud, Sugababes und Kylie Minogue bekannt geworden ist.
Rick Rubin, der noch für den Vorgänger Music For Men zuständig war, hatte sich, wie das seiner Arbeitsweise entspricht, darauf beschränkt, die wesentlichen Merkmale des Trademark-Dance-Punk von Gossip herauszuarbeiten. Auch das führte zu einer deutlicheren Orientierung hin auf den Dancefloor. Nun aber erweitert Higgins das Repertoire der Band nicht nur um Northern-Soul-Bläser und ein paar neue Computer-Beats, sondern eröffnet dem Trio auch musikalisch endgültig jenes Mainstream-Spektrum, das die VIP Beth Ditto gesellschaftlich längst erreicht hat.
Als Material stehen Higgins dazu auch wieder bessere Songs zur Verfügung als zuletzt Rubin. Und er lässt keine Gelegenheit aus, das Hit-Potenzial jedes einzelnen Stückes freizulegen. In Songs wie „Picture Perfect World“ und „Involved“ sind nun alle Widerhaken wegpoliert, und der Punkrock ist nicht mal mehr eine ferne Ahnung. Die Gitarre von Nathan Howdeshell spielt immer öfter nur eine Nebenrolle wie in „Get A Job“, dessen Beats von Synthieschlieren untermalt werden, bevor dann zum Refrain doch wieder der typische, treibende Gossip-Funk einsetzt. Und wenn Howdeshell dann doch, wie in „Into The Wild“, wieder eines seiner Chic-Riffs auspackt, dann klingt das nicht mehr rotzig, sondern sehr versöhnlich.
Damit verzichten Gossip zwar auf ihr bislang entscheidendes Alleinstellungsmerkmal, aber ihnen bleiben ja noch die natürlich weiterhin sagenhafte Stimme von Ditto und der unkorrumpierbare Drive im Zusammenspiel von Howdeshell und Schlagzeugerin Hannah Blilie. War Gossip anfangs der Versuch, „I Will Survive“ mit den Mitteln des Punk nachzuempfinden, will Beth Ditto nun lieber gleich höchstpersönlich Gloria Gaynor sein. Dieser Wandel wird manchem nicht gefallen, aber man muss zugeben: Musikalisch ist mit A Joyful Noise die schon länger absehbare Umgestaltung von Gossip zum massentauglichen Disco-Pop-Produkt überaus überzeugend abgeschlossen. Key Tracks: „Melody Emergency“, „Horns“, „Love In A Foreign Place“