Arcade Fire: REFLEKTOR in der Track-by-Track-Besprechung


Wir konnten sie schon hören, die 13 Songs des Doppelalbums der Kanadier, das am 25. Oktober erscheint.

Calypso-Disco im Weltraum: Lest bei uns die Kurzbesprechung zu den Tracks des neuen Arcade-Fire-Albums REFLEKTOR, das am 25. Oktober erscheint. REFLEKTOR-Tester Benjamin Jungert vergibt dafür übrigens 4,5 Sterne – Jochen Overbecks Album-Rezension aus dem aktuellen Musikexpress lest Ihr hier.

„REFLEKTOR“-Track-by-Track – CD1

  1. „Reflektor“ (7:33): Willkommen im Spiegelkabinett und zum Song, den wir schon am längsten kennen. Die Streicher zu Beginn des Stücks verebben unverzüglich und ein Teil des Klangspektrums von Arcade Fire im Jahr 2013 wird deutlich: schillernde Disco-Beats und Conga-Percussion – da tritt die Gitarre erstmal in den Hintergrund. Die Band singt über das Sich-Verlieren in der Wirklichkeit und Sinnestäuschungen („I thought I found the connector, It’s just a Reflektor…“). Textliche Parallelen zu Song „Half Light“ werden deutlich: „You say you hear human voices, But they’re only echoes“).  Und die Frage „Will I See You On The Other Side“? kann man auch verstehen als „Tanzt Ihr mit bis zur zweiten Hälfte des Doppelalbums?“
  2. „We Exist“ (5:44): The Beat Goes On, aber etwas weitläufiger. Erstmal kann man sich sicher sein, wirklich zu existieren. Das kann einem auch schon ein „Na na na na na na“ entlocken.
  3. „Flashbulb Eyes“ (2:42): Eine Calypso-Dub-Nummer out of space mit einer verzerrten Stimme von Win Butler; leider recht früh zu Ende. Sie endet mit einem Stimmen-Geflirr, das übergeht in den nächsten Song.
  4. „Here Comes The Night Time“ (6:30): Die jeden zum Strahlen bringende Calypso-Melodie besänftigt dem anfänglichen Gitarren-Wirbelsturm. Das Motiv wird variiert, das Piano klimpert windschief und stellte Sänger Win Butler noch in „Reflektor“ fest, dass ihm im Himmel etwas fehlen würde („If this is heaven, I need something more“), dann weiß er es jetzt besser: „If there’s no music in heaven, then what’s it for?“
  5. „Normal Person“ (4:22):  Und sie legen die aufheulenden Gitarren nicht weg und wollen vom Normal-Sein nichts wissen.
  6. „You Already Know“ (3:59): Nach einer Jahrmarkt-ähnlichen Ansage „The Fantastic Arcade Fire“ ist dies wiederrum der normalste, das heißt straighteste Rock-Song auf der Platte.
  7. „Joan Of Arc“ (5:26): Der Punk-Anfang führt in die Irre: Mit einem relativ gewöhnlichen, etwas zu langem und Refrain-lastigen Stück endet die erste Hälfte des Doppel-Albums.

„REFLEKTOR“-Track-by-Track – CD2

  1. „Here Comes The Night Time II“ (2:52): Streicher nehmen das Motiv des Songs von der ersten Platte wieder auf. Und doch soll auf der zweiten CD von REFLEKTOR alles anders sein.
  2. „Awful Sound (Oh Eurydice)“ (6:13): Trotz furioser Percussion geht es hier erstaunlich ausgeglichen zu; dazu trägt vor allem die Akustiv-Gitarre bei, die das anschwillende Getöse in Zuckerwatte hüllt. Der Titel endet abrupt.
  3. „It’s never over (Oh Orpheus)“ (6.42): Deutliche 80er-Disco-Pop-Parallen inklusive Synthie-Patterns in einen Song, der leider etwas davontreibt.
  4. „Porno“ (6:02): Provozierender Titel für einen Song, der sich letztlich wie die Pop-Version von Suicide annimmt. Zeilen wie „Something’s wrong with me“ und „Take your make up off“ kann man als Kommentar zur einer emotional verunsicherten Generation ansehen.
  5. „Afterlife“ (5:52): Der Beat pulst wie ein Morsezeichen, das 80er-Saxophon setzt ein und das Stück möchte fragen: Gibt es ein Leben vor dem Tod?
  6. „Supersymmetry“ ( 11:16): Das längste und experimentellste Stück auf dem Album und zugleich Abschluss des Abenteuers REFLEKTOR. Wenn die Streicher nach wenigen Minuten den zurücknehmenden Gesang von Win und Régine ablösen, treiben wir durchs Weltall. Der nach wie Proto-Elektro á la Cluster klingende Song scheint zu verschwinden, wird leiser und leiser, und kehrt wieder zurück. Und was schwebt da an uns vorbei? Ist es ein Saxophonist im All? Treibt ein gottverlassener Gitarrist an uns vorbei? Noch in den letzten Sekunden hören wir ganz weit entfernt eine Melodie. Ein freischwebend-experimenteller, an „2001 – Odyssee im Weltraum“ erinnernder Abschluss eines kosmischen, wenn auch teils überladenen Albums.