Leuchtkreuz! Gallagher-Coolness! Glücksgefühle mit gebrochener Hand! Der Hurricane-Samstag


Da konnten Florence and the Machine hüpfen, was sie wollten. Die beeindruckendsten Auftritte beim Hurricane boten Mumford and Sons sowie die Kreuzritter von Justice.

Es scheint vielen doch immer ein Anliegen zu sein, an Tagen wie diesen, nicht immer ganz man selbst zu sein. Hurricane ist Ausnahmezustand und da kann man sich auch gerne mal mit seinen Festival-Kumpanen verkleiden, damit einen die alten Schulfreunde nicht auf den ersten Blick erkennen. So kam man am frühen Nachmittag auf das Gelände und irgendwie traten einem noch mehr Bären, Hasen und Elefanten in Menschengröße entgegen. Man war also wieder unter ihnen –  den 70 0000 Festival-Fanartikern, für die nach dem Konzert auch vor dem Konzert ist.

 

So haben die Whitest-Boy-Alive-Zöglinge Kakkmaddafakka wegen ihrer eigenen versagenden Monitore spontan eine Art Silence-Disco für viele Besucher im hinteren Teil veranstaltet, deren musikalisches Kopfkino reichte, um sich von solch technischen Problemen nicht die Laune verderben zu lassen – Hosen hochziehen, schnell auf die Schultern des Vordermanns und alles geben.

So freundlich und sorglos sind die Leute ja nicht immer, wir sind schließlich immer noch beim Ausnahmezustand „Hurricane“. Wenn jemand auf der Straße höflich das heruntergefallene Taschentuch eines Fremden aufhebt, um es ihm zu reichen und dieser sagt: „Fick dich Alter!“, dann sind wir nicht in Scheeßel, sondern in Berlin und dann sind wir bei Thees Uhlmann und Band. Neben Songs von seinem neuen Tomte-Nebenprojekt, also der Ich-AG Thees Uhlmann und die Band um ihn herum, gab es noch Lobeshymnen auf Rapper Casper. Denn wenn der noch mehr Platten als Sido und Bushido zusammen verkauft, dann kann ja gar nicht so schlimm sein – also die Gesamtsituation bezüglich schlechter Massengeschmäcker. Und weil der Pfeil wegen Casper so nach oben zeigt, coverte er den Song „xoxo“.

Wenn es sich bei Thees trotz vieler gleichgesinnter Konzert-Besucher immer noch familiär anfühlte – sollten Florence and the Machine im Anschluss für Open-Air-Deluxe Gefühle sorgen. Fast magnetisch lockte sie vor Beginn die Besucher vor die Bühne. Der Besucheranturm machte Florence Welch jedenfalls zum Hauptact der Stunde. Alles andere schien egal. Überraschungen gab es nicht, die wollte auch keiner haben. Mit gewohnter Ausdrucks-Tanz-Performance und dem bezeichnenden Hüpflauf von links nach rechts sowie mit wehenden roten Haaren und Trompetenärmeln zog sie die Besucher in ihren Florence-Bann und ließ die Massen zu „ Shake It Out“ shaken. 

Und während es bei dieser Dame im Zuge des „Ceremonials“-Wahn klar war, dass sie für viel Zuspruch sorgt, überraschten Madsen auf der Green-Stage mit einer fast in Vergessenheit geratenen Heldenhaftigkeit. Eine tatsächlich unüberschaubare Masse sang sich mit der Band zusammen bei Sonnenschein „Du Schreibst Geschichte“ und „Die Perfektion“ in Madsen-Stimmung. Die Szenerie aus der Höhe betrachtet machte klar, dass Madsen wirklich Geschichte geschrieben haben, die die meisten auch gelesen haben. Zum Ende hin überraschte der Madsen-Sänger mit einem Cover von Alex Clares „Too Close“.

Und irgendwie bleibt es bei diesem Hauch an Nostalgie, als man sich zu Noel Gallagher begeben hat, der sein Set mit dem Oasis-Song „Good To Be Free“ gestartet hat, aber dann mit Noel Gallagher’s- High-Flying-Birds-Songs weitermachte. Mit einer Setlist, die exakt die ersten sechs Songs seiner Debüt-Tracklist entsprach. Mit Noel-Sonnenbrille und Gallagher-Coolness spielte er sein Auftritt runter und bedankte sich beim Publikum – weil es sich für ihn und nicht für Rise Against entschieden hätten, die parallel auf der Green-Stage ein gefühltes Comeback feierten. Als Noel sich dann mit „Don’t Look Back In Anger“ verabschiedete, war das die Oasis -Nostalgie so präsent wie schon lang nicht mehr – wo er doch auch seine Solo-Songs mit Oasis-Songs rahmte.

Mumford & Sons folgten mit leicht demoliertem Sänger. Marcus Mumford hatte sich zuvor die Hand gebrochen, ließ die Konzerte aber nicht ausfallen. Wäre auch ein großer Verlust des zweiten Festivaltages gewesen, denn es schien so, als hätten sie noch einige Fans mehr gewinnen können. Die neuen Songs betteten sich wie Albumtracks von „Sigh No More“ in das Set. und Mumford & Sons spielten das bis dahin schönste Konzert bei Nacht – als hätten sie die Masse irgendwie beruhigt, als hätten sie sie für eine Festival-Konzertlänge auf einen angenehmen Feier- und Glückspegel gebracht.

Justice sorgten allerdings im Anschluss gut zwei Stunden dafür, dass die Besucher nicht beseelt in ihre Zelte gehen, sondern natürlich die Nacht wieder einmal zum Tag machen. Mit Leucht-Klavier passend zum Justice-Leuchtkreuz und sowieso viel Licht beleuchteten sie die Nacht, die Fans und das Gemüt der Feierlustigen. Und damit auch dieser Stimmungspegel gehalten wird, spielten sie ungefähr vier Mal ihren Überhit „We Are Your Friends“ in verschiedenen Versionen. Auch am Festival-Samstag wurde also all das gehalten, was am Donnerstag bereits eingekehrt ist – viel gute Festivallaune.