Hurricane 2011: How are you, Schnitzels? Der Samstag.
Conor Oberst beweist, dass er ein Getriebener ist. Kasabian werden immer besser – und Lykke Li regt sich über das Publikum auf. Der Samstag des Hurricane-Festivals. Plus: die ersten Acts für 2012 wurden bestätigt.
„Let’s fuck it up kids/ make some noise“, schreit Conor Oberst heraus. Er hat die Zeile aus „Road To Joy“ vom Album „I’m Wide Awake, It’s Morning“ leicht abgewandelt. In diesem rauschhaften Moment, dieser wüsten Ode an die Freude kurz vor 2 Uhr morgens ist es eh egal. Oberst – der im weiten Regencape der Indie-Posterboy ist, der er lange nicht mehr sein wollte – und sein Panikorchester Bright Eyes sind in Form. Auch, wenn das bei Conor Oberst gleichsam heißt, dass er ordentlich angetrunken ist und wirre Ansagen macht.
„I did my best to keep my head“, schwört er gleich zu Beginn in „Gold Mine Gutted“ vom Album „Digital Ash In A Digital Urn“. Tatsächlich konnte man Oberst unverhofft schon am Nachmittag gut gelaunt am Stand von Musikexpress und Rolling Stone antreffen, wo er der All-Girl-Band Warpaint beim Autogramme schreiben Gesellschaft leistete. Bright Eyes spielen am Abend ein richtiges Fankonzert mit toller Songauswahl: der Lifted…-Hit „Lover I don’t Have To Love“, „Shell Games“ (als wahres Riff-Monster verpackt) und „Haile Sellasie“ vom neuen Album „The People’s Key“, „Take It Easy“, „Four Winds“ vom Album „Cassadaga“, „Poisen Oak“. Das bereits erwähnte „Road To Joy“, bei dem auch noch Warpaint beim Lärm machen mithelfen, und zum Abschluss das so versöhnliche „One For You, One For Me“. Die Darbietung ist opulent-krachig, natürlich auch zynisch, aber nie selbstzersetzend. Oberst beweist, dass er ein Getriebener ist – und es auch bleiben wird.
Bei aller Kritikerliebe sind Bright Eyes am Samstag immer noch eher ein Fall für die Kategorie „Special Interest“, obwohl es einige enttäuschte Fans wegen Überfüllung des Zelts nicht mehr zur „Red Stage“ schaffen. Den größten Publikumszuspruch heimsen die Alternativ-Rocker My Chemical Romance und Incubus ein, die eher einen konzentrierten denn besonders druckvollen Auftritt abliefern. Klar, wenn Sänger Brandon Boyd mit wehenden Surferlocken Hits „Are you in?“, „Wish You Were Here“ oder „Drive“ singt, liegt ein Anflug von Magie in der Luft. Vom bedingungslosen Funk der Red Hot Chilli Peppers oder den großen Rock-Gesten von Pearl Jam sind Incubus an diesem Abend doch recht weit entfernt.
Kasabian werden kurz zuvor auf der „Blue Stage“ weitaus reservierter empfangen, der Madchester-Sound ist ja auch nie im gleichen Maße in Deutschland angekommen wie Brit-Pop. Dennoch muss nicht nur anhand der beiden neuen Songs konstatieren: Kasabian werden immer besser. „Shoot The Runner“ vom Album „Empire“ ist ohnehin ein fauchendes Groove-Monster, „Take Aim“ Bombast-Rock wie er britischer nicht sein könnte. Zwischendurch fragt Sänger Tom Meighan ironisch: „How are you, Schnitzels“. Während es bei Kassabian die übliche, zähnefletschende Großkotzigkeit ist, scheint Lykke Li wirklich wütend zu sein: „Are you sleeping“, fragt sie am Ende ihres Sets, zum Schluss feuert sie die Drumsticks zu Boden und marschiert wortlos ab. Vielleicht ist die Schwedin mit ihrem durchaus frenetischen Publikum unzufrieden, vielleicht ist es einfach nur Teil einer großen diva-esken Pop-Inszenierung.
Denn Lykke Li spielt ein fantastisch durchchoreografiertes Konzert: Sie sieht im schwarzen Kleid hinreißend aus, tanzt atemberaubend sinnlich und drischt kraftvoll auf ihr Drum-Kit ein. Dazu haucht, kiekst und stöhnt sie sich durch ihren elektrizierten Folk-Pop und erweist zwischendurch The Knife mit einer Instrumentalversion von „Silent Shout“ die Ehre. Lykke Li ist – Stand Samstag Nacht – der Pop-Star des Festivals.
Vor dem abschließenden Sonntagsprogramm mit den Foo Fighters als ultimativem Headliner hat das Zwillingsfestival Hurricane/Southside unterdessen bereits die ersten beiden Namen für das Jahr 2012 bekanntgegeben. Dann werden neben Blink 182, die ihren diesjährigen Auftritt wegen neuer Albumaufnahmen gestundet haben, auch … Trommelwirbel … Die Ärzte auftreten. Der Vorverkauf beginnt schon morgen. Irre.
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