Frank Spilker im Interview
Frank Spilker, im Hauptberuf Sänger und Textschreiber der Hamburger Band Die Sterne, über eine Pause von seiner Band, seine Solotour und die Schönheit von Widersprüchen.
Nach fast zwei Jahrzehnten mit seiner Band
Die Sterne
nimmt sich
Frank Spilker
zum ersten Mal eine Auszeit von seiner Haupttätigkeit und geht im November auf Solotour – mit der sogenannten „Frank Spilker Gruppe“. Anfang 2008 soll ein Soloalbum folgen, danach sind wieder Die Sterne angesagt.
Nach all den Sterne-Jahren gehst du im November zum ersten Mal solo auf Tour. Wie kam es dazu?Frank Spilker
: Ich habe immer alle Energien in die Sterne gesteckt, während die anderen Bandmitglieder ihre Neben- projekte hatten. Das hat natürlich auch mit dem Arbeitsaufwand zu tun, den das Texte-Schreiben darstellt. Jetzt waren wir an einem Punkt, wo wir uns gesagt haben: „OK, wir haben jetzt gerade das beste Sterne-Album seit Jahren ausgespuckt und die Öffentlichkeit hat trotzdem kaum Notiz davon genommen – vielleicht sollten wir uns mal etwas rar machen.“ Jeder hat dann so seine eigenen Pläne gemacht, und für mich ist das jetzt die Gelegenheit, damit anzufangen, all die liegen gebliebenen Ideen aufzugreifen, die bei den Sternen aus unterschiedlichsten Gründen unter den Tisch gefallen sind. Eins der Stücke, die auf dem Album sind, ist von 1987!
Wer ist die „Frank Spilker Gruppe“?Frank Spilker
: Ich, ich, ich. Sonst keine wirklich festgelegten Strukturen. Auf der Tour und auf der Platte sind dabei: Mathias Strzoda (dr), Max Knoth (b, git) und Uwe Jahnke (git) vielleicht. Das steht aber noch nicht fest.
Bleibt es bei der einen Tour und dem Album oder planst du weitere Solo-Aktivitäten?Frank Spilker
: Ich hätte da schon noch Ideen, aber als nächstes steht wohl eine Sterne-Platte an. Danach kommt dann die Free Jazz- und Lyric-Platte nur mit Schlagzeug und Saxophon, oder eine andere Idee.
Wie geht’s mit den Sternen weiter?Frank Spilker
: Wir gewinnen etwas Luft und kommen einmal heraus aus dem Studio-Tour-Übungsraum-Schema. Die Sterne sind ein abgehangenes Team. Ich denke, wir können jederzeit, wenn der Entschluss gefasst ist, innerhalb eines halben Jahres eine CD einspielen. Alles in allem ein Jahr, so wie bei RÄUBER UND GEDÄRM. Unsere ersten Überlegungen gehen in Richtung eines 50er-Jahre-Vintage-Sounds mit enormer Durchsichtigkeit und Dynamik.
Blumfeld haben sich aufgelöst, Schorsch Kamerun fällt in letzter Zeit eher durch Theaterprojekte auf, Dirk von Lowtzow macht nebenher Hörbücher – es scheint, eine bestimmte Generation in der unabhängigen deutschen Popmusik befindet sich stark im Umbruch. Ist irgend- wann der Punkt erreicht, wo es etwas anderes geben muss als Rockmusik?Frank Spilker
: Na ja, Blumfeld haben sich wegen kommerzieller Erfolglosigkeit aufgelöst, und die anderen machen meiner Meinung nach das, was sie ohnehin schon immer interessiert hat, oder es ist ein Talent einfach mal auf frucht- baren Boden gefallen, wie bei Schorsch. Grundsätzlich ist Unabhängigkeit schließlich ja etwas, das man sich erarbeiten muss, wenn man nicht gerade geerbt hat oder so.
Mit den Sternen habt ihr euch zuletzt mit Songs wie „Wir rühren uns nicht vom Fleck“ sehr explizit politisch zu Wort gemeldet, andererseits verdingt ihr euch in der Jägermeister Rock Liga – wie stark empfindest du das als Widerspruch?Frank Spilker
: Widersprüche sind doch gerade geil. Wir haben ja auch „Fickt das System“ gesungen und kurz darauf am Sony Music Talent Award 1992 teilgenommen. Das ist das Lied vom „Universal Tellerwäscher“, die Medien sind auch nur eine Industrie. Darauf hinzuweisen finde ich interessanter als mit Bono, Geldof und Heiner Geißler gemeinsam am G8 zu menscheln, oder damit anzugeben, dass man sich vegetarisch ernährt oder CO2-neutral einkauft. Als ich „Wir rühren uns nicht vom Fleck“ geschrieben habe, war ich der Meinung, die Anti- globalisierungsbewegung bräuchte neue Parolen, jetzt ist alles so verharmlost, dass so eine Band wie die Sterne dort gar keinen Platz mehr hat.
Ich habe kürzlich auf einer Party in einer Berliner WG erlebt, dass ungefähr 50 Leute, die sich zum Teil kaum kannten, gemeinsam „Was hat dich bloß so ruiniert“ Wort für Wort mitgesungen haben. Das war so ungefähr das erste Mal, dass ich so etwas wie ein „Generationsgefühl“ empfunden habe. Es scheint, dass dieses Lied gerade heute für Leute, die jetzt auf die 30 zugehen, eine ganz neue Bedeutung bekommt…Frank Spilker
: Eine neue Funktion: Katalysator des sich Wiedererkennens. Ein Freund von mir hat dasselbe gerade mit „Universal Tellerwäscher“ erlebt. Ich glaube, dass diese Art von Song damals – 1994 bzw. 1997 – wirklich neu war und dass so etwas eine Explosion auslösen kann, die Generationen definiert.
Deine Texte haben immer sehr davon gelebt, sich in ihrer Metaphorik auf einen identifizierbaren Lebens- standpunkt zu beziehen. Ist es schwierig, aus dem sehr anderen Standpunkt eines Familienvaters auf die gleiche Weise weiterzuschreiben?Frank Spilker
: Nein, diese Haltung lehne ich grundsätzlich ab. Erstens ist Rockmusik nicht gleich oder nur Jugendkultur. Zweitens geht das Dasein der Bohemiens nicht zwangsläufig in eine bürgerliche Karriere über, und drittens ist der Standpunkt des Familienvaters nicht unbedingt ein besonderer. Man steckt doch sein ganzes Leben über in familiären Verhältnissen, nur die Rollen ändern sich. Ich schreibe also mitnichten auf gleiche Weise weiter, sondern in dem Bewusstsein, dass sich mit meinem Erfahrungshintergrund auch meine Songs ändern.
Michael Wopperer – 17.10.2007
Die Sterne gibt es bei