Karamel über Sigur Rós

Wissen Sie, es geht hier ja nicht darum, eine Kritik zu schreiben, nicht darum, etwas über eine Platte zu sagen, das Anderen eine wie auch immer geartete objektive Meinung zu den Aufnahmen vermittelt. Es geht wohl einzig und allein darum, was ich beim Hören dieser Aufnahmen empfinde; was dieses Album zu dem hier, und anderen Alben, vorgestellten macht.Da musste ich nicht lange graben.Als ich gefragt wurde, ob ich für den MUSIKEXPRESS meine Lieblingsplatte bzw. eine Platte, die mir viel bedeutet, vorstellen möchte, war für mich sofort klar, dass es nur dieses Album geben kann, das jenes Prädikat verdient. Ich war selbst erstaunt darüber, denn normalerweise verzweifle ich an der an mich gestellten Frage nach meiner Lieblingsband, Lieblingsplatte, Lieblingsgebramsel und verzettele mich in Argumente, warum es so viele Platten gibt, die zu bestimmten Momenten meine absolute Lieblingsplatte sind – und deshalb unbedingt Erwähnung finden müssten – und so weiter. Um Kopf und Kragen.Musik ist für mich häufig ein melodiegewordener Moment, manchmal eine Aufnahme einer in Noten verwandelten spontanen Gefühlsregung. Aber immer, auch wenn die Aufnahme, die Produktion noch so akkurat vorbereitet wurde, ein Musik gewordener Ausdruck von Emotionen. Einschränkung: Jedenfalls, bei Musik, die mich interessiert und mit der ich vornehmlich zu tun habe. Jene Scheißmusik also mal außen vor – bzw. die Emotionen, die damit einhergehen… Wie Sie sehen; sobald ich der Frage näher komme, desto mehr verzettele ich mich.Nun aber: Ich erinnene mich an eine Situation, in der ich einem Freund diese Platte über iTunes schenkte mit den Worten „Albrecht, diese Platte bringt mich über den Winter.“ „Með Suð Í Eyrum Við Spilum Endalaust“ ist für mich die Bewältigung von Geschehenem, der Ausdruck von Mut, Hoffnung und Verzweiflung und die Wut; die Wut, damit umgehen zu müssen oder lernen zu müssen, damit umzugehen.Ich spare mir an dieser Stelle Abhandlungen über fünfminütige, zum bersten gespannte Steigerungen in „Festival“, über das Verlangen sich rücklings in Watte fallen zu lassen beim Hören von „Fljótavík“ oder dem sicher nicht gesuchten, aber gefundenen perfekten Popsong „Við Spilum Endalaust “; aber eins möchte ich noch sagen: Anders, als bei einer Isländerin, deren Sprache man eventuell lernen möchte, um ihr näher zu sein, verhält es sich bei Sigur Rós. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen will, worüber Jón Þór Birgisson singt. Ich glaube nicht, dass es mich der Platte näherbringen könnte.Die inhaltliche sowie persönliche Bedeutung eines Textes liegt letztendlich im Ohr des Hörers und die Bedeutung von „Með Suð Í Eyrum Við Spilum Endalaust“ ist für mich musikalische Unabhängigkeit mit einer nicht mehr auf die Spitze zu treibenden und dennoch wohl durchdachten Intensität zu vereinen und mir damit ein gutes Gefühl zu geben – das hilft.Dafür, ob für den Moment, die verklärte Zukunft oder die unerwünschte Gegenwart, ist sie da, meine Lieblingsplatte, diesen Teil meines Lebens besser zu machen.Johann Scheerer hat mit seiner Hamburger Band

Karamel

gerade sein drittes Album MASCHINEN herausgebracht und mit dem Projekt

Taka-Takaz

die EPs LESLIE WHITE und LESLIE BLACK veröffentlicht. Anfang Mai sind Karamel

auf Tour

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Johann Scheerer – 23.04.2009

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