So war’s beim Coldplay-Konzert im Kölner E-Werk
Premiere in Köln: Coldplay beginnen ihre Promotour zum neuen Album mit einem Konzert im E-Werk. Die neuen Songs fordern Geduld. Die Erlösung folgt am Ende.
Sind wir hier bei Tabaluga, oder was? Dutzende Sterne baumeln von der Decke des Kölner E-Werks, ein Bühnenbild für Tagträumer und Nachtschwärmer, simpelste Symbolik. Das war bei Coldplay zuletzt nicht immer so: X&Y war abstrakt, VIVA LA VIDA zitierte die Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts, MYLO XYLOTO war – ja, was eigentlich? Egal, das neue Album heißt GHOST STORIES, die erste Single „Magic“. Geistergeschichten und Magie – dazu baumelnde Sterne und die Band in schlichten schwarzen T-Shirts: Die Sache wird einfacher.
Und die Musik? Das Kölner Konzert ist das erste einer sehr kurzen Reihe von weltweiten Clubgigs, bei der Coldplay Teile ihrer neuen Platte vorstellen. Die Show wird im Radio übertragen, sodass deutlich mehr als die 1000 glücklichen Ticketbesitzer im E-Werk mithören. Kluge Promotion. Das Hauptset dauert genau eine Stunde, so lange wie die Radioübertragung. In diesem Teil spielt die Band fünf neue Stücke, keines davon hat gegen die alten Sachen den Hauch einer Chance. „Always In My Head“ ist eine hübsche Ballade, „Anothers’s Arms“ ein unglaublich langweiliger und träger Schmachtfetzen. „Oceans“ klingt wie eine alte Komposition aus den Anfangstagen der Band, als das Klangkonzept von Coldplay noch auf recht wackeligen Beinen stand. Der blassen Single „Magic“ haucht Chris Martin mit der Akustischen ein bisschen mehr Leben ein, beim ebenfalls schon vorab veröffentlichten „Midnight“ spielen er und Bassist Guy Berryman eine Art Laser-Lichtorgel und lassen deutlich erkennen, dass sie zuletzt viel Bon Iver, Brian Eno und The Orb gehört haben. Faszinierende Musik – zumindest für Leute mit großer Plattensammlung.
Die sind bei Coldplay-Konzerten jedoch in der Minderheit. Die meisten hier kaufen sich im Jahr eine Handvoll Alben – und freuen sich dementsprechend, dass die Band zwischen den neuen Songs die alten Hits spielt. Der Kontrast wird besonders bei den neonfarbenen Stücken von MYLO XYLOTO deutlich: Techno-Synthies und Bollerdrums fegen das nächtlich-graue Bühnenbild hinfort, aufgekratzt zelebriert Chris Martin bei „Charlie Brown“ und „Every Teardrop Is A Waterfall“ die eigenartige Symbiose aus Rave und Kuschelrock. Die Leute sind begeistert, und manch einer fragt sich Bange, ob denn GHOST STORIES überhaupt kein Material dieser Art bereithalten wird.
Die Zugabe beginnt mit einer Ansprache: Chris Martin bittet darum, die Smartphones in den Taschen zu lassen, weil man gleich einen exklusiven Song spielen wolle. „Den kennen dann nur wir vier und ihr 1000.“ Der Song heißt „A Sky Full Of Stars“. Die Sterne oben an der Decke beginnen zu leuchten, der Beat stampft, die Synthies peitschen – und Martin singt zu großen Gesten eine formvollendete Sehnsuchtsmelodie. Keine Frage, dies ist der Hit. Die Single, die uns den Rest des Jahres begleiten wird. Man erlebt selten, dass ein nie gehörtes Stück so direkt zündet. Das spricht für den Song. Aber auch für das Konzept, die Leute erst mit Experimenten und Mittelmäßigkeit zu versorgen, um dann das Juwel zu liefern. Am Ende regnet es im E-Werk Konfetti. „Bunter Regen“, sagt einer. Tabalugaquatsch.