Kettcar

Du und wieviel von deinen Freunden

Post-Pop: Kettcar erfinden den würdevollen Umgang mit der Tristesse banale.

Gut: Abwarten, bis die Aufregung verklungen ist und sich die enttäuschten „… but alive“-Fans in der Menge verloren haben. Dann resümierend auf die eigenen Socken schauen, ausgelaugt sein und doch noch Kraft haben für eine ehrliche Freude an dieser Platte. Die ist netto: Hamburg, Gitarren, Jungs, Musik, Pop sicher, Rock vielleicht und: Texte! Texte straight Richtung Magengrube. „Was geht in ihm vor? Glaubt er denn wirklich, glaubt er. er kommt damit durch?“ Und das ist nur der erste Satz! Die Stimme von Marcus Wiebusch macht heutigen Jungmenschen Nachtsorgen. Sie ist: Erschöpfte Arroganz mit der Option auf Später-alleine-Weinen. Hält wach. Was noch? Ein goldenes Klavier bei“Landungsbrücken raus“ und mit „Balkon Gegenüber“ die dichtesten zwei Minuten der Saison. Kettcar ist auch eher so ein Jungsding. Lieber verdrängen als mit Freunden drüber reden, lieber daheim verrammeln als lange Spaziergänge, lieber Magenbitter als Frustschokolade. „Was für Nervenstränge sollen das denn sein, und wer wischt das Blut weg?“ Immer mitten rein, immer mit viel Schmerz. Aber: Keine Jammerei, kein Selbstmitleid! Da sei stets rechtzeitig ein bisschen Lustgitarre vor oder ein wehmütiges Lächeln wie bei „Ausgetrunken“. Kettcar meistern die normale Verzweiflung mit Würde. Du und wieviel von deinen Freunden wird aber seltsamerweise keine Indie-Konsensplatte. Wohl, weil Slackness immer noch ein blöder Berufsjugendlicher ist. Aber wenn Karen Duve den ersten deutschen Post-Pop-Roman geschrieben hat, dann haben Kettcar die erste deutsche Post-Pop-Platte gemacht. Gut: dass die aus Hamburg kommt. www.kettcar.net Hörprobe unter: www.musikexpress.de